[ Fotos – © PachT ]
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Mercedes McLaren SLR 999 „Red Gold Dream“ , Wert: 4,5 Mill.
Der MELKUS aus Dresden
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In der Erfurter Presse war zu lesen:
Heiße Eisen
Tief, tiefer, aufgesetzt. Tuning erfreut sich besonders bei der jungen Generation immer größerer Beliebtheit. Ausstellungen wie die Erfurter Automobilmesse, die heute beginnt, nutzt die Branche, um ihre neuesten Produkte direkt an die Kunden weiterzugeben. Laien sollten jedoch die Finger vom Eigeneinbau lassen, sonst steht der Tuning-Traum öfter beim TÜV als in der eigenen Garage.
ERFURT. Zwei Jahre Arbeit und fast jeden Monatslohn steckte Benjamin Grob aus Schafhausen in seinen getunten VW Polo. Am Ende wurden dem Volkswagen die Leuchten aus einem 3er BMW zum Verhängnis. Die Dinger haben ein dämliches Licht beim Abblenden erzeugt. Beim Aufblenden war die Kurve plötzlich näher, als ich dachte und schon hing ich kopfüber in der Hecke, sagt der 22-jährige Südthüringer über den Tag, als sich sein Hochglanz-Polo in Schrott verwandelte.
Sein Auto war das liebste Hobby des Mechatronikers. Erst kam der Polo. Da mussten sich auch Frauen hinten anstellen. Ein Auto kann mir schließlich nicht weglaufen, so Benjamin. Angesteckt von der PS-Leidenschaft seines Vaters, schraubte auch der Sohn schon als Jugendlicher mit Leidenschaft in der heimischen Garage an seinem Moped. Das eigene Simson aufmotzen ist beliebtes Hobby vieler Jugendlicher. Als Benjamin volljährig wurde, musste der Ford Fiesta seiner Mutter herhalten. Der hatte schon 200 000 Kilometer runter. Da konnte ich sowieso nicht mehr viel kaputt machen, sagt der 22-Jährige lachend über die Anfänge seiner Tuning-Leidenschaft.
Für seinen eigenen Polo setzte Benjamin auf professionelle Hilfe von Freunden, die in diversen Kfz-Werkstätten arbeiten. Alles, was mit Elektronik und Motorteilen zu tun hat, mache ich selber. Für Lackier- und Karosseriearbeiten lasse ich mir aber helfen, so der 22-Jährige. Dass er sein Auto für Umbauten und Reparaturen aus der Hand gibt, liegt aber nicht daran, dass Benjamin sich das nicht zutraut: Am Unterboden mache ich zum Beispiel nichts, weil ich natürlich keine eigene Hebebühne bei mir zu Hause habe.
Bevor sein Polo schrottreif im Graben landete, hatte Benjamin schon fast alle Wünsche eines Tuners umgesetzt. Die Heckklappe wurde gecleant – also der Griff entfernt. Dann haben wir die Motorhaube verlängert, ein neues Fahrwerk hatte der Polo auch, zählt der Mechatroniker die wichtigsten Änderungen auf. Ein Radio mit ausklappbarem Bildschirm war natürlich auch Standard. Mit seinen individuellen Gestaltungswünschen war der Südthüringer oft gesehener Gast beim TÜV. Allein bis ich das Fahrwerk endlich eingetragen hatte musste ich drei oder vier Mal zur Abnahme, erinnert sich der Hobby-Tuner.
Zu tief – das ist eines der häufigsten Argumente, die bei getunten Autos dazu führen, dass die Betriebserlaubnis erlischt. Das weiß auch Torsten Hesse vom TÜV Thüringen: Kam alles schon vor. Erst meinten die Fahrzeughalter, ihr Wagen sei ganz sicher hoch genug. Beim Test mit Volllast mussten wir dann mit qualmenden Reifen abbrechen, weil die Räder im Radkasten schleiften. In diesem Punkt gilt: Tiefer als acht Zentimeter dürfen Autos generell nicht liegen. Ansonsten müssen die TÜV-Prüfer meist den einzelnen Fall unter die Lupe nehmen. Nicht umsonst liegt ihnen Paragraf 19 der Straßenverkehrsordnung Erteilung und Wirksamkeit der Betriebserlaubnis als 300-seitige Entscheidungshilfe vor. Uns ist wichtig, dass sich die Kunden vor dem Tuning über die Teile informieren und dass die entsprechenden Genehmigungen beiliegen, sagt Hesse.
Wenn die Betriebserlaubnis erst erlischt, zahlt bei einem Unfall keine Versicherung für den entstandenen Schaden. Ist natürlich kein schönes Gefühl, ohne Betriebserlaubnis beim TÜV vom Hof zu fahren, weiß auch Hobby-Tuner Benjamin. Seit zwei Monaten hat er wieder einen neuen Wagen. Jetzt ist ein Audi 80 Quattro sein ganzer Stolz. Der schluckt zwar wie ein Specht, aber Allrad-Antrieb ist schon eine feine Sache – vor allem im Winter, schwärmt der 22-Jährige mit einem Grinsen im Gesicht. An der Optik will der Mechatroniker nur minimal feilen. Dezent soll sein Wagen bleiben.
Damit liegt der Südthüringer im Tuning-Trend dieser Saison. Die Zeiten dicker Spoiler sind vorbei. Die Kunden legen wieder mehr Wert auf Leistung unter der Haube, sagt Nadin Fulsche von K&M Tuning in Erfurt. Viele Autofahrer wollen sogar, dass ihr Wagen durch eine spezielle Lackierung verbraucht aussieht. Für viele ist es das Größte, mit ihrem unscheinbaren Golf II auf der Autobahn einen Porsche zu verblasen, so Fulsche. Auch würde es immer öfter vorkommen, dass reine Rennmaschinen für sogenannte Viertel-Meile-Rennen, wie sie in Eisenach stattfinden, geordert werden. Insgesamt brach auch in der Tuningbranche 2009 der Umsatz um fünf Prozent auf 4,36 Milliarden Euro ein. Für die Branche ist das jedoch nur ein Kratzer im Lack. Schon dieses Jahr erwartet der Verband der Automobiltuner unbeeindruckt von der Krise auf dem Automarkt wieder ein leichtes Wachstum.
Auf der Erfurter Automobilmesse aber strahlen die Boliden. 115 Aussteller zeigen bis Sonntag die neuesten Trends. Neben Tunern bieten auch Händler die aktuellsten Modelle bekannter Automarken an. Zudem steht die Wahl zum Tuning Babe auf dem Programm. Die PS-gestählten Boliden auf der Automesse sind auch nach dem Geschmack von Hobby-Schrauber Benjamin: Ein Ur-Quattro wäre ein Traum. Aber selbst eine Replik kostet 50 000 Euro. Da bleibt nur selber basteln.
Text: Christian GREIS