22.02.11 ## Bildungspolitische EXPERIMENTE mit KINDERN gehören unter STRAFE gestellt ##


ABITURbeweis

In unserer LANDESPRESSE „THÜRINGER ALLGEMEINE
konnte man am Samstag nachstehenden Artikel lesen –
ich musste ihn ganz schön lange verdauen:

Nur noch Druckschrift für Schulanfänger

Lernforscher sind dafür, die Schreibschrift in der Grundschule abzuschaffen. Thüringen macht dies seit der Einführung der neuen Lehrpläne im Herbst zumindest teilweise mit. Doch auf Beifall stößt dies nicht überall.

Erfurt.
In Thüringen machen alle Erstklässler ab diesem Schuljahr ihre ersten Schreibversuche in Groß- und Kleinbuchstaben der Druckschrift. Lineatur muss dafür nicht berücksichtigt werden.
Dies sieht der neue, seit Sommer vorigen Jahres gültige Lehrplan für Grundschulen für alle verbindlich vor. Thüringen verfährt mit der neuen Regelung so wie zwölf der insgesamt 16 Bundesländer auch. Ziel soll es sein, dass die Kinder zunächst in derselben Schrift zu lesen und zu schreiben lernen.
An einem deutschlandweiten Schulversuch, bei dem Kinder generell in der Grundschule nur noch in Druckschrift schreiben, beteiligt sich Thüringen nicht, so das Kultusministerium in Erfurt. Es sei auch nicht geplant. Bundesweit nehmen insgesamt 100 Grundschulen an dem Projekt teil.
In Thüringen sollen die Schüler dagegen in einer zweiten Stufe nach der Druckschrift bis zum Ende der 4. Klasse eine verbundene Schrift lernen. Welche Schriftnorm dafür ausgewählt wird, ist dabei dem Lehrer überlassen.
Wichtig sei vor allem, dass sich die Schüler eine flüssige und gut lesbare Schrift aneigneten, sagt Professor Gerd Mannhaupt, der Direktor des pädagogischen Instituts School of Education an der Universität Erfurt, gegenüber unserer Zeitung. Eine bundesweit einheitliche Erstschriftart für alle Schulanfänger halte er zwar für wünschenswert, aber durch den Grundsatz des Föderalismus nicht für realisierbar.
Zensuren für Schreiben gibt es in Thüringen wie auch in anderen Bundesländern schon seit Jahren nicht mehr.
Schleifen, Bögen, Schwünge für alle Erstklässler abgeschafft
Nich haun hat Max geschrieben und ein Bild mit einer Schulhof-Szene dazu gemalt. Man sieht, mit welcher Mühe der kleine Kerl die tanzenden Buchstaben gebändigt hat. Max ist Schulanfänger in der Erfurter Ludwig-Bechstein-Schule.
Nahezu unbemerkt wurde im Herbst mit den neuen Lehrplänen für Grundschulen in Thüringen eingeführt, dass Schulanfänger zuerst das Schreiben mit großen und kleinen Druckbuchstaben lernen. Der Schüler eignet sich in einem Schreiblehrgang die Druckschrift an, und am Ende der zweiten Klasse, so heißt es im Lehrplan wörtlich, soll der Schüler flüssig, formklar und leserlich in Druckschrift schreiben können. Die Grundschullehrer meinten ihren Augen nicht zu trauen.
Dass Lehrer ihren Schülern die Hefte mit liederlich geschrieben Wörtern um die Ohren schlugen und Kinder es lernen mussten, wie gestochen zu schreiben, scheint Ewigkeiten her zu sein. Das Fach Schreiben gibt es in Thüringen seit der Wende nicht mehr, auch Zensuren dafür sind längst abgeschafft. Schrift wird nicht mehr bewertet.
Jahrzehntelang quälten sich ABC-Schützen mit verschiedensten Schulschriften, mit all den Bögen, Schleifen, Auf- und Abstrichen. Bereits 1941 war von den Nazis das Sütterlin abgeschafft worden. Seit 1953 lernten dann Schulanfänger die verschnörkelte Lateinische Ausgangsschrift. 1968 wurde in der DDR die Schulausgangsschrift eingeführt, die es unbeholfenen Kinderhänden leichter machen sollte. 1973 zog der Westen mit der Vereinfachten Ausgangsschrift nach, sie sah der DDR-Variante recht ähnlich. Immer wieder aber gab es Fallen: Wie muss nach einem t oder einem x mitten im Wort der nächste Buchstabe angeschlossen werden? Nun soll es nur noch Druckbuchstaben geben, jedenfalls am Anfang.
2010 hatte der Grundschulverband bundesweit angeregt, Kinder sollten nur noch Druckbuchstaben lernen. Die pädagogische Idee: Eine Schrift sei genug. Kinder sollten das schreiben, was sie lesen. Ohnehin seien häufig Kinder aus sozial schwachen Familien beim Schreibenlernen benachteiligt. Und die Jungen hätten häufig Probleme mit der Feinmotorik. Es wurde heftig gestritten und im Rheinland inzwischen seit 2003 komplett umgestellt. In Thüringen nicht so radikal.
Nach den ersten Schulmonaten, relativiert das Kultusministerium die Thüringer Variante, sollen die Kinder dann jene Schriftart üben, die der Lehrer aussucht. Je nach Geschmack und Gewohnheit. Andere Länder wie die Schweiz oder Spanien gehen ähnliche Wege. Hauptsache sei, so heißt es, dass die Schrift lesbar und flüssig ist.
Dass dies mit Druckschrift besser wird, bezweifeln jedoch viele Eltern und mancher Lehrer der oberen Klassen. Sie klagen, viele Kinder könnten ihre eigene Schrift nicht lesen, sich nicht mal an Zeilen oder vorgegebene Kästchen halten. Es fehle an Schrift-Disziplin. Krankenkassen wissen dafür sogar schon eine Diagnose: grafomotorische Störung. Die Folge seien häufig psychische Belastungen in der Schule, so das Europäische Institut für Handschrift Hamburg. Doch sagen auch renommierte Bildungsforscher wie Klaus Hurrelmann, dass, wer nicht schreiben kann, auch keine Lust zum Lesen hat.
Doch welchen Einfluss Druckbuchstaben darauf haben, ist wissenschaftlich unklar. Untersuchungen gibt es noch nicht. Zum anderen: Druckbuchstaben schreiben sich langsamer, es fehlen ihr fürs Tempo Verbindungen und Schwünge, so die Kritiker. Solch ein Schriftbild könne auch nie schön sein. Und die Kinder könnten sehr wohl zwischen Schreib- und Druckschrift unterscheiden, sie wollten auch wie die Großen schreiben, also in Schreibschrift.
Das sagt auch Martina Schmidt, Direktorin der Ludwig-Bechstein-Schule. An ihrer Schule wird mit dem Bleistift begonnen, später mit Tintenroller, selten mit Füller. Die Lineatur beginne mit fünf Linien. Ab der 3. Klasse soll sich bei jedem Kind eine individuelle Handschrift herausbilden. An Frau Schmidts Schule wird mit Druckschrift nur begonnen, aber recht rasch die Schreibschrift nachgezogen. Übrigens, mit der Schulausgangsschrift.
Doch die Bögen und Schwünge sind bundesweit überall anders. Wissenschaftler wie der Erfurter Pädagogik-Professor Gerd Mannhaupt finden zwar Geschmack an der Idee einer einheitlichen Schriftart für alle Schulanfänger Deutschlands. Aber sie sei undurchführbar, sagt er. Sie müsse am föderalistischen deutschen Schulsystem scheitern. Eine neue Blüte am Baum des Föderalismus. In Frankreich indes schreiben alle Kinder gleich. Und viele Erwachsene auch.
Dennoch bricht Mannhaupt eine Lanze für die Druckschrift. Ohnehin, sagt er, werde immer weniger per Hand geschrieben. Computer- und Handytastaturen ersetzen Stift und Papier, Formulare werden im Internet ausgefüllt. Und selbst Lebensläufe, die einst handgeschrieben sein mussten und Aufschluss über Charaktereigenschaften geben sollten, gibt es oft nur in tabellarischer Form und aus dem Drucker. Die Argumente für die Schreibschrift seien fast nur noch ästhetischer Natur. Die Zeit, um so etwas anzutrainieren, solle die Schule besser anders nutzen. . .
Im April soll sich eine wissenschaftliche Tagung in Hannover mit Erfahrungen im Umgang mit Druckschrift befassen. Sie sei ausgebucht, das Interesse riesengroß, so der Grundschulverband. Schließlich: Rund 100 Schulen in Deutschland beteiligen sich an dem entsprechenden Schulversuch. Thüringen nicht.
Nur Mut, es wird gut, schrieb Paula, die auch die Erfurter Bechsteinschule besucht. Alle Buchstaben sind genau aufgemalt und alle Wörter richtig geschrieben. Und das ist ja auch nicht selbstverständlich.
___
Angelika Reiser-Fischer / 19.02.11 / TA

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Nun hatte ich mich ja schon sehr oft zu bildungspolitischen Fragen geäußert,
den FÖDERALISMUS als absoluten Hemmschuh zur Vermittlung gemeinschaftlichen
Allgemeinwissens beklagt und den Gedanken des SCHULNOTENVERZICHTS angeprangert …

Bereits bei
Logo Dtschl_today
veröffentlicht, habe ich nachstehenden PRESSEBEITRAG nunmehr auch in der
Logo Thüringer Allgemeine
am heutigen Tage platzieren können:

[fett: veröffentlicht / normal: gekürzte Teile]

L E S E R – M E I N U N G
zu “Nur noch Druckschrift für Schulanfänger” u. „Druckschrift für alle“ ,
in TA v. 19.02.11; S. 1 u. 3

Wo soll das hinführen ?

Der Sachverhalt, dass das Schreiben
in der Schule seit Jahren keiner
Benotung mehr unterliegt, ist ein
fahrlässiger Umgang mit der deutschen
Sprache von Amts wegen.
Eine Sprache
wird m. E. nur in der Einheit von
Sprache, Schrift und Umgang umfassend
anwendbar beherrscht.
Die in 16 Bundesländern praktizierten
unterschiedlichsten Bildungsanforderungen,

Lernmodelle und nun auch noch Schriftarten
lassen nunmehr doch erhebliche Zweifel an
der Ernsthaftigkeit der Beteuerungen der
Politiker hinsichtlich
der Richtigkeit
ihrer Schulpolitik aufkommen.
Bildungspolitische Experimente mit Kindern
gehören künftig unter Strafe gestellt
, weil
sie das nationale Wissenspotential, Normen
und Werte unserer Gesellschaft für die
Zukunft in Frage stellen.
___
P. Achim T., Erfurt

[Text – © PachT / Foto aus Internetfundus]

4 Kommentare zu „22.02.11 ## Bildungspolitische EXPERIMENTE mit KINDERN gehören unter STRAFE gestellt ##

  1. Mich wundert nichts mehr. Hier (NRW) wird schulpolitisch wöchentlich eine andere Sau durch’s Dorf getrieben. Und nicht’s, aber auch gar nicht’s von all diesen Maßnahmen wird bis zu Ende gedacht. Zwei Jahre später nehmen sie die Entscheidungen zurück. Und das Ganze gipfelt dann darin, dass sie das alte Vorgehen dann wieder als NEUERFINDUNG auf den Markt werfen. Siehe das ganze Theater um G8 und G9. Schulen, die jetzt das Abitur mit 13 Jahren (wieder) einführen … sind Projektschulen und testen das längere Lernen auf dem Weg zum Abi aus. Das lachste dich doch weg.

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  2. In Luxemburg läuft das „Druckschriftexperiment“ schon lange, es hat sich schlicht überhaupt nichts gebessert. Im Gegenteil! Für viele Kinder ist die Umstellung auf die langsamer zu praktizierende Schreibschrift (wiewohl völlig schnörkellos) eine Katastrophe! Die angeübte Schnellschreibe bewirkt noch und nöcher Rechtschreibfehler, sowie eine abgehackte Schreibweise. Die Raumorientierung (also auf dem Blatt Papier) geht verloren, da der Lernprozess zeitweilig unterbrochen wird. Es ist völlig in Ordnung, Kinder zu Beginn „frei“ schreiben zu lassen und dann nach spätestens einem Monat zum Beispiel nach und nach auf Linien umzustellen, es darf allerdings nicht zu lange dauern, weil ja sonst der Lernprozess der räumlichen Orientierung unterbrochen wird.

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  3. Was mit solchem Humbug (sorry aber anders kann man diese bildungspolitischen Experimente nicht bezeichnen) erreicht werden soll, ist mir unklar. Es ist in meinen Augen Gewalt gegenüber den Kindern, man will das Niveau senken, statt Ihnen etwas abzuverlangen, was sie sicher schaffen können. Allerdings ist im Land der Arbeitshefte und 100000 Kopien ja eh kaum mehr einer dazu in der Lage, ein Tafelbild abzuschreiben. Macht ja auch mehr Arbeit so ein Tafelbild. Mir graut davor, mein Kind im August in die Schule zu schicken. Vielleicht ist es an der Zeit, dass sich Eltern aufraffen (aber da gibts ja genug, die eh den Bildungsauftrag komplett abgegeben haben).

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