
Winter im Erfurter Steigerwald – © PachT
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Am 05.01.2011 war in der THÜRINGER ALLGEMEINE –
„FAKTEN-CHECK DDR“ (4)
als ERGEBNIS einer wissenschaftlichen UNTERSUCHUNG
folgendes zu lesen:
In vielen Leserbriefen zu unserer Serie „Faktencheck DDR“ geht es um das angeblich einheitliche Bildungssystem. Aber durfte in der DDR wirklich jeder studieren – auch ohne rotes Parteibuch? Die Antwort gibt Prof. Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin. Unter der Parole „Säuberung des gesamten Erziehungs- und Bildungswesens vom faschistischen und reaktionären Unrat“ begann die KPD/SED schon unmittelbar nach dem Untergang des NS-Systems und geschützt von der sowjetischen Besatzungsmacht mit der Eta-blierung eines sozialistischen Bildungssystems.
Es sollte jungen Menschen die „Ideologie der Arbeiterklasse“ vermitteln und das bürgerliche Bildungsprivileg brechen.
Bis Anfang der 1970er Jahre wurden Arbeiter- und Bauernkinder sowie Kinder parteipolitisch konformer Eltern bei der Zulassung zur EOS und später zur Hochschule bevorzugt, die Kinder von Akademikern blieben zumeist außen vor.
Die Zulassungsordnung sah vor, dass neben dem Nachweis der Hochschulreife eine „aktive Mitwirkung an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft und die Bereitschaft zur aktiven Verteidigung des Sozialismus“ beim Bewerber vorhanden sein mussten.
Junge Menschen, die die Jugendweihe verweigerten, weil sie diese Zeremonie nicht mit ihrem christlichen Glauben vereinbaren konnten, die sich zu den Bausoldaten meldeten oder wegen politischer Unzuverlässigkeit auffielen, wurden nicht zum Studium zugelassen.
Wer sich aber freiwillig für mehrere Jahre zur NVA meldete, erhielt auch mit schlechteren Schulleistungen zumeist einen Studienplatz. Eine Mitgliedschaft in der SED war fürs Studium nicht erforderlich; der FDJ jedoch gehörten fast alle Studenten an.
Die Zahl der Studierenden stieg bis Anfang der siebziger Jahre an, um danach, da inzwischen die Funktionen der vertriebenen Bildungseliten vom sozialistischen Nachwuchs besetzt waren, zurückzugehen und schließlich mit etwa 13 Prozent eines Jahrgangs konstant zu bleiben.
Nun begann die Phase der Selbstrekrutierung der neuen sozialistischen Intelligenz. Aus dem bürgerlichen war ein sozialistisches Bildungsmonopol geworden. Bis zum Ende der DDR sank der Anteil der Arbeiterkinder an den Universitäten stetig und lag schließlich sogar unter dem in der Bundesrepublik.
Das Studium war stark reglementiert und verschult. Obligatorisch in allen Studiengängen war das Fach Marxismus-Leninismus. Die in Seminargruppen und Kollektiven zusammengefassten Studenten mussten fortlaufend Rechenschaft über ihr Studium und ihr politisches Verhalten ablegen.
Die Mehrzahl der Studenten war ebenso wie ihre Dozenten bis in den Herbst 1989 hinein stärker als andere soziale Gruppen systemloyal.
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Nachstehenden TEXT übermittelte ich
der Redaktion der THÜRINGER ALLGEMEIN :
LESER-MEINUNG
zu Ausgesuchtes Auditorium,
in TA v. 05.01.11; Leser-Seite
Gut und schlecht gab es schon immer und überall
Gestern, heute und auch künftig wird es heißen: „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing“ – wissenschaftlich scheint man dazu wohl SYSTEMLOYALTÄT zu sagen.
1960 wurde mir als Sohn eines kaufmännischen Angestellten die bereits erteilte Zusage zum Besuch der Erweiterten Polytechnischen Oberschule aufgrund eines gezeigten politischen Fehlverhaltens wieder entzogen. 1962 musste ich wegen kritischer Äußerungen zu Unzulänglichkeiten an der Schule acht Wochen vor der mittleren Reifeprüfung an eine andere Schule und wurde aus der FDJ ausgeschlossen. Weil ich es selber aber ernsthaft wollte, absolvierte ich nach der abgeschlossenen Lehre das Abitur an der Volkshochschule und danach in einem vierjährigen Fernstudium einen Hochschulabschluss mit Diplom.
Der Grundsatz zu DDR-Zeiten, dass die Partei immer recht hat, wurde allerdings vielerorts unterschiedlich realisiert. Damals schon hatte ich immer gesagt:
„So wie es gute und schlechte Christen gibt, so gibt es auch gute und schlechte Genossen.“ In übertragenem Sinne ist es doch heute nicht anders: Es gibt engagierte und nur machtbesessene Politiker oder ehrliche und korrupte Manager. In so fern ist auch hier die pauschale Be- bzw. Abwertung der Realitäten in der DDR der Aufarbeitung der Vergangenheit nicht dienlich. Nicht wenig Hochschulabsolventen der DDR sitzen heute als Politiker im Bundestag, in den Landtagen und kommunalen Räten und leisten gute Arbeit, es sei denn, sie sind schon in das Fahrwasser vieler ihrer Kollegen aus den Altbundesländern abgetrieben.
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P. Achim T., Erfurt
