27.07.10 + Aus meiner publizistischen Arbeit + Ein unveröffentlichter PRESSEBEITRAG – warum wohl ?


In der

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war vor ca. zwei Wochen u. a.folgendes zu lesen:

Wirtschaftsforscher Tyrell über soziale Folgen des Stasi-Spitzelsystems

Prof. Dr. Marcel Tyrell (51), Chef des Instituts für Unternehmer- und Finanzwissenschaften an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, führt die Schwäche der ostdeutschen Wirtschaft auf das Wirken der Stasi zurück. Sie zählen heute halb so viele Organspenden in Gebieten, in denen bis vor 20 Jahren die Stasi besonders aktiv war. Was wollen sie damit beweisen?
Dass der Umgang mit Freiheit und das Vertrauen in die Institutionen dort schwerer möglich sind, wo systematisch Misstrauen gesät wurde. Die Frage ist doch, wie wirken 40 Jahre Diktatur noch heute nach? Als Indikatoren für gesellschaftliches Engagement haben wir die Mitgliedschaft in Sportvereinen, die Wahlbeteiligung und die eben erwähnte Bereitschaft zu Organspenden untersucht. Denn wenn jemand ein Organ gibt, dann ist dies auch ein Dienst an der Gesellschaft, ein Zeichen der Verbundenheit zu dem Gemeinwesen. Dem gegenüber gestellt haben wir das Ausmaß der versuchten Zersetzung durch das MfS. Eine Messgröße dafür, wie stark das Regime wirkte, ist die Dichte an Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi. Da gibt es relativ gute Daten, die wir mit heutigen Statistiken abgeglichen haben.
Und die IM, die vor 20 Jahren spitzelten, haben damit bitte was genau zu tun?
Sie sind ein Indikator dafür, wie stark die Unterdrückung damals wirkte. Mein Kollege Marcus Jacob – der übrigens in der DDR aufgewachsen ist – und ich waren selbst überrascht über die Robustheit der Zusammenhänge. Zum Beispiel leidet in jenen Gebieten, in denen das Spitzelnetz der Stasi besonders dicht war, noch heute die Wirtschaftskraft. Etwa sieben Prozent des Einkommensunterschieds zum Westen lässt sich unserer Meinung nach so erklären.
Und was ist mit fehlender Wettbewerbsfähigkeit nach der Wende, der Währungsunion, der Abwanderung, der maroden Infrastruktur … ?
Das ist ja alles richtig. Diese Gründen kommen zweifellos noch hinzu. Wir aber reden von immerhin sieben Prozent, und das ist ein weiterer und neuer Mosaikstein in der Forschung nach den Ursachen dafür, warum der Osten wirtschaftlich immer noch hinterher hängt.
Na gut, dann konkret. Jena boomt. In Jena war früher aber auch die Stasi in Thüringen am aktivsten, wegen Carl Zeiss, der Universität. Das widerspricht doch Ihrer These.
Nein. Das ist nach unseren Untersuchungen und allen Resultaten nur eine, wenn auch signifikante Abweichung von der Norm. Oder wie man im Volksmund sagt: Die Ausnahme bestätigt die Regel …
… die sie auf Grundlage einer wackeligen Datenbasis aufstellen. Sind nicht viele der damaligen IM heute verzogen oder verstorben?
Pardon, die Datenlage ist alles andere als wackelig. Aber Sie haben natürlich insofern recht, dass es gerade in den neuen Ländern in den letzten 20 Jahren enorme Wanderungsbewegungen gegeben hat. Und natürlich sterben Menschen in einem Zeitraum von fast einer Generation. Auch stehen uns nur von 147 der 227 DDR-Kreise die IM-Statistiken zur Verfügung. Doch dies alles haben wir bei den empirischen Untersuchungen, mit denen wir die Korrelation berechnet haben, vollständig berücksichtigt.
Sie messen auch eine um 0,6 Prozent niedrigere Wahlbeteiligung in den IM-Gebieten. Das liegt doch innerhalb der Fehlertoleranz jeder noch so seriösen Umfrage.
Das ist lediglich ein ergänzender Wert zu einem anderen Ergebnis: nämlich dass die Bereitschaft zur Mitgliedschaft in Organisationen auch um zehn Prozent und für Organspenden sogar um fünfzig Prozent niedriger liegt.
Dennoch: Die Wahlbeteiligungen schwanken im Osten dramatisch, die Ergebnisse auch. Und Sie beziehen sich auf eine einzige Bundestagswahl.
Ich verstehe Ihre Skepsis, aber der Zusammenhang ist wirklich messbar. Die Staatssicherheit wird gerne mit Kraken verglichen. Und unsere Ergebnisse zeigen eindeutig: Das Gift des Kraken Stasi wirkt noch heute in der Gesellschaft in Ostdeutschland weiter, wird weitergegeben von Generation zu Generation. Wir gehen natürlich davon aus: unwissentlich – aber es geschieht.

Einmal abgesehen von der Binsenweisheit, dass 40 Jahre Diktatur die Gesellschaft heute noch prägen: Ist ihre These im 20. Jahr der Einheit nicht einfach nur ein gezielter Aufreger wie damals die Theorie, dass der DDR-Kindergarten für Neonazis verantwortlich ist?
Wenn man einen direkten und rein monokausalen Zusammenhang herstellen würde, wäre dies selbstverständlich Unsinn. Ich sagte ja bereits, unsere Studie liefert nur eine weitere von vielen Erklärungen, warum manche Dinge im Osten so sind, wie sie eben sind. Unsere Arbeit wollen wir zudem auch als Anstoß verstanden haben – für die von Ihnen geäußerten Fragen, aber auch für die Politik, die noch stärker lernen muss, dass es nicht reicht, eine Autobahn zu bauen, ein Gewerbegebiet anzulegen oder Geldtransfers zu leisten. Auch Wirtschaft funktioniert eben nur mit den Menschen und ihren unmittelbaren und mittelbaren Erfahrungen.
Martin Debes / 18.07.10 / TA
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Bis gestern erschienen dazu – mehrheitlich äußerst kritisch – 16 LESER – MEINUNGEN …

Hier nun mein unveröffentlichter PRESSEBEITRAG v. 21.07.10

zu „Folgen des Stasi-Systems“ in TA v. 17.07.10; S. 1 und ‚Hintergrund‘

Hinter der jüngsten Veröffentlichung einer sogenannten wissenschaftlichen „Analyse über Spätfolgen des Stasi-Systems auf die Wirtschaft im ‚Osten‘ Deutschlands“ kann m. E. durchaus die Absicht stehen, die Auswirkungen der 16 verschiedenen Bildungskonzepte auf das Bildungsniveau in Ost und West in den letzten zwanzig Jahren auf den Prüfstand stellen zu wollen.
Die bisher veröffentlichten Reaktionen belegen, dass in unserer Region noch zwischen wissenschaftlicher Betrachtungweise und Dummschwätzerei unterschieden werden kann.
Sollten die leichtfertigen Experimente mit den Kindern und Jugendlichen an den deutschen Bildungseinrichtungen nicht baldigst durch eine ernsthafte und zukunftsorientierte Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben des Staates in der Bildungspolitik ersetzt werden, ist allerdings in nicht allzu ferner Zeit damit zu rechnen, dass dann – allerdings deutschlandweit – das Gift der „Krake der Bildungsmisere“ über Generationen hinaus wirken wird. Diese Analyse wäre wohl heute wichtiger gewesen !

P. Achim T.

Ein Kommentar zu „27.07.10 + Aus meiner publizistischen Arbeit + Ein unveröffentlichter PRESSEBEITRAG – warum wohl ?

  1. Schwarzer_Monolith Pro _ 2010-07-28 @ 21:27:51 :

    „Ohne einen Sinn für das Maß
    endet die Maßlosigkeit
    im unbeschreiblichen Chaos
    und
    vernichtet neben Freiheit auch Leben.“

    ZUTREFFEN … ZUTREFFEND … ZUTREFFEND

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